Der Herr Minister

Veröffentlicht am 26. September 2025 um 09:51

Der Herr Minister

Es war vor mehr als zwanzig Jahren, als mich ein hoher Herr besuchte. Ein Minister.

Schon beim Betreten meines Zimmers bat er mich um Schweigen – was ich sehen würde, dürfe niemals nach außen dringen. Ich versprach es ihm.

Er wirkte gehetzt, fast ängstlich, und wischte sich immer wieder den Schweiß von der Stirn.

„Können Sie mir wirklich sagen, was auf mich zukommt?“ fragte er leise.

Ich nickte. „Ich werde mein Möglichstes tun.“

Trotz seiner Nervosität ging von ihm eine seltsame Harmonie aus, als hätte er eine innere Kraft, die ihn selbst in Momenten der Angst nicht verließ.

Ich sah in seine Familie, sein privates Umfeld. Seine Frau war von Krankheit gezeichnet, doch keine lange Schwäche lag vor mir – nur wiederkehrende Aufenthalte im Krankenhaus.

„Ja, meine Frau ist krank“, bestätigte er hastig.

„Sie wird gesund werden“, sagte ich. „Schon in wenigen Wochen.“

Da hellte sich sein Gesicht auf, und er nahm voller Erleichterung meine Hand.

Dann wandte ich mich seinem Beruf zu. „Vieles wird sich ändern, auch Ihre Position. Aber es ist keine bedrohliche Veränderung. Im Gegenteil – sie wird Ihnen Freude bereiten.“

„Das darf nicht sein“, rief er beinahe. „Ich möchte bleiben, wo ich bin.“

„Ich sehe, was ich sehe. Täuschen Sie sich nicht.“

Er atmete schwer. Ich erklärte ihm, dass er beliebt sei, angesehen, dass gute Jahre vor ihm liegen. Nur eines bereitete mir Sorge: seine Beine.

Er nickte sofort. „Ja. Das stimmt.“

„Gehen Sie zum Arzt, rasch. Dann kann man vieles verhindern.“

„Das mache ich sofort“, versprach er.

Am Ende war Erleichterung in seinen Zügen. Er dankte mir herzlich, und bevor er ging, bat er mich ein zweites Mal um Schweigen.

 

Die Drohung

Zwei Tage später.

Ein Fremder stand vor meiner Tür. Ohne Gruß, ohne Vorstellung. Seine Stimme war hart.

„Ich will wissen, was Sie dem Herrn Minister gesagt haben.“

Ich starrte ihn an. „Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?“

Er trat einen Schritt näher. „Sagen Sie es.“

„Ich erinnere mich nicht. Und außerdem gebe ich niemals weiter, was mir jemand im Vertrauen anvertraut.“

„Heute schon“, knurrte er.

„Nein. Gehen Sie bitte.“

Seine Augen funkelten. „Ich gehe erst, wenn ich meine Auskunft habe.“

„Dann warten Sie. Meine Antwort ändert sich nicht.“

Da erhob er die Stimme: „Das ist kein Spaß! Wenn Sie nicht reden, werden Sie es bereuen. Sie werden kein Bein mehr auf die Erde bekommen!“

Ich schwieg, das Herz pochte mir bis zum Hals.

„So, nun? Was haben Sie ihm gesagt?“

„Ich weiß es nicht mehr“, hauchte ich.

Er wandte sich zum Gehen, doch an der Tür blieb er stehen. „Frau Tappeiner – Sie werden noch oft an mich denken.“ Dann schlug er die Tür krachend zu.

 

Nachklang

Er hielt Wort.

Seine Drohungen verfolgten mich – kleine, eigenartige Vorfälle, unangenehme Dinge, die meinen Alltag überschatteten.

 

Der Herr Minister selbst war inzwischen in eine andere Abteilung gewechselt, und ich war erleichtert.

Doch der unbekannte Mann, der mich eingeschüchtert hatte, ließ nicht von mir ab.

IMT