Eine Familie aus Tirol reiste mit ihrem achtjährigen, schwerkranken Sohn an und bat mich um Hilfe. Der Junge stand kurz vor einer lebensrettenden Operation: Die Mutter wollte ihm eine Niere spenden.
Ich erklärte den Eltern gleich zu Beginn, dass ich kein Arzt bin. Dennoch baten sie eindringlich, dass ich mir die Situation ansehe. Vorsichtig und mit Zurückhaltung tat ich es. Ein Operationstermin war bereits fixiert. Doch so sehr ich mich auch bemühte – ich konnte keine Operation erkennen. Ich sah das Krankenhaus, ich sah Ärzte, ich spürte die Verschlechterung beim Kind, aber eine OP zeigte sich mir nicht – weder bei ihm noch bei der Mutter.
Als ich das den Eltern erklärte, reagierten sie enttäuscht. „Das muss doch sein“, sagten sie, „in vier Wochen ist der Termin.“ Ihre Verärgerung wuchs, schließlich warfen sie mir vor, ich könne nichts, und beschimpften mich. Es tat weh, denn ich hatte mein Bestes gegeben.
Wochen später meldete sich der Vater. Wütend warf er mir „Blödsinn“ vor: Seine Frau und der Sohn seien nun im Krankenhaus, die Operation stünde unmittelbar bevor. Ich gratulierte und wünschte alles Gute, doch innerlich blieb ich bei meiner Wahrnehmung – ich konnte keine Operation sehen.
Zwei Stunden später rief er erneut an. Aufgebracht sagte er: „Der Junge liegt schon im OP, meine Frau wird jetzt hineingebracht.“ Mein Herz raste, doch ich blieb bei meiner Sicht. Ich entschuldigte mich, erklärte ihm, dass ich nichts anderes wahrnehmen könne – und legte schließlich auf, tief verunsichert.
Kurze Zeit danach war mein Mann zufällig am Telefon, als derselbe Vater erneut anrief. Dieses Mal sprach er leiser, fast beschämt: „Frau Tappeiner, entschuldigen Sie bitte. Die Operation konnte heute nicht durchgeführt werden. Die Werte meiner Frau sind plötzlich abgefallen. Wir fahren jetzt nach Hause. Sie hatten recht – es gab keine OP.“
Ich konnte nur noch sagen: „Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Doch innerlich war ich traurig, weil ich wusste: Das Entscheidende liegt noch vor ihnen.
Isolde Tappeiner